Musks Megafon als Parteispende? – Verfassungsblog – Go Health Pro

Influencer-Beiträge als Werbemaßnahmen Dritter im Parteiengesetz

Während die Influencer-Kooperationen von Habeck, Lindner, Merz, Scholz und Wagenknecht kaum diskutiert wurden, erregte Elon Musks Unterstützung der AfD sogar international Aufsehen. Sein Gespräch mit Alice Weidel und sein Stream des AfD-Parteitags generierten zusammen bisher rund 100 Millionen Aufrufe. Solche Beiträge von reichweitenstarken Personen des öffentlichen Lebens (Influencern) sind regelmäßig kommerzialisierbar. Sie könnten deshalb gemäß den seit 2024 geltenden §§ 27a Abs. 1, 27 Abs. 1a PartG als Werbemaßnahmen Dritter Parteispenden darstellen. Werden sie nicht korrekt deklariert oder sind sie als Auslandsspenden nach § 25 Abs. 2 Nr. 3 PartG sogar verboten, drohen erhebliche Sanktionen nach §§ 31c, 31d, 31e PartG – was die Bundestagsverwaltung bei Musk nun überprüft.

Die Unterstützung politischer Parteien in sozialen Medien stellt die neuen Regeln zu Werbemaßnahmen Dritter auf die Probe. Dieser Beitrag bietet am Beispiel Musks einen Leitfaden zum Umgang mit Influencern im Parteispendenrecht: Solange Influencer ohne Gegenleistung aus persönlicher politischer Überzeugung posten und nicht anderweitig gegen geltendes Recht verstoßen, sind ihre Beiträge keine Parteispende. Bei Musk könnte deshalb lediglich die unterstellte breitere Ausspielung seiner X-Posts eine Parteispende darstellen

Die Werbemaßnahme als geldwerte Zuwendung

Um eine Werbemaßnahme und damit eine Einnahme und Parteispende nach §§ 27 Abs. 1a S. 2, 26 Abs. 1 S. 2 PartG zu sein, müssten Musks Unterstützungshandlungen der herrschenden Auslegung zufolge objektiv nützlich für die AfD sein. Dies ist anhand der objektivierten Datenlage einzuschätzen. Eine Einnahme ist die Werbemaßnahme nur, wenn sie einen finanziellen Gegenwert hat. Zudem muss die Handlung als „Werbung“ laut Gesetzesentwurf (S. 27) zumindest konkludent zur Wahl einer bestimmten Partei aufrufen. Berichte oder Interviews in öffentlich-rechtlichen Medien sind wegen des in § 5 PartG einfachrechtlich ausformulierten Grundsatzes der Neutralität des Staates im politischen Wettbewerb keine Werbemaßnahme.

Hat die Unterstützungshandlung einen objektivierbaren Wert?

Der Wert einer Person wird bei Werbemaßnahmen typischerweise mithilfe der Lizenzanalogie in § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG anhand dessen bestimmt, was bei vertraglicher Vereinbarung der Unterstützung angemessen wäre. Auf die Bereitschaft zum Vertragsschluss kommt es nicht an. Der Wert der Unterstützungshandlung nach dem Parteiengesetz lässt sich ebenfalls so berechnen: Nur Beiträge, die das Image einer Partei verbessern können, sind etwas wert. Kausalität muss nicht nachgewiesen werden, da sie in der Werbebranche kaum zu belegen ist (hier, S. 4 und hier). Der objektivierbare Wert steigt mit der kommerziellen Reichweite der Person, die sich im Internet durch Followerzahlen messen lässt. Für die Berechnung als Parteispende sind allerdings nur deutsche Follower relevant, da nur diese an der politischen Willensbildung teilhaben dürfen.

Auch traditioneller Journalismus etablierter Medienhäuser fällt unter diesen Bewertungsansatz. Politiker- und Parteienporträts sowie Interviews, wie zuletzt mit Robert Habeck, können das Image einer Partei verbessern. Bei klassischen Medien sollte die Unterstützungshandlung jedoch dem Zeitschriftenherausgeber und nicht dem Autor zugerechnet und der Wert anhand der Auflagenzahl bemessen werden. Autoren nutzen Zeitschriften genau wie Online-Plattformen zur Reichweitenerhöhung, doch im Gegensatz zu Online-Plattformen tritt das Individuum bei Zeitschriften hinter das Medium zurück: Auf Online-Plattformen werden Beiträge nur nach Veröffentlichung auf Antrag inhaltlich kontrolliert, während in traditionellen Medien die Redaktion eine Inhaltskontrolle vor Veröffentlichung vornimmt. Damit übernimmt sie die Verantwortung für den Beitrag. Ausnahmsweise sollte die Handlung doch dem Autor zugerechnet werden, wenn das Medium von der Reichweite der Person profitiert und nicht umgekehrt, wie bei Musk mit seinen 212,5 Millionen Followern auf X. Musk ist also sowohl für seine X-Beiträge als auch für den Welt-Artikel, die Prognosen zufolge das Bild der AfD zumindest verbessern können, selbst verantwortlich. Bei einer möglichen Algorithmus-Verstärkung, von der die AfD profitieren würde, handelt er hingegen als Vertreter der X Corp., der die Spende im Wert der üblichen Kosten einer solchen Werbemaßnahme auf X zugerechnet wird.

Ruft die Unterstützungshandlung zur Wahl einer Partei auf?

Allerdings ist nicht jede politische Berichterstattung eine Werbemaßnahme – zumindest konkludent muss zur Wahl einer bestimmten Partei aufgerufen werden. In Zweifelsfällen kann die BGH-Entscheidung „Influencer I“ herangezogen werden, wonach ein Influencer-Beitrag auch ohne Gegenleistung Werbung ist, wenn er „ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge einer [Partei] hervorhebt“. Bei den bisherigen Politiker-Influencer-Auftritten bestand diese Distanz, Musks Beiträge hingegen rufen klar zur Wahl der AfD auf. Obwohl der X-Algorithmus wohl alle seine Beiträge verstärkt, nutzt er diese Verstärkung bewusst auch zugunsten der AfD und unterstützt diese zumindest konkludent. Daher sind seine Unterstützungshandlungen für die AfD Werbemaßnahmen und wären als Parteispenden zu behandeln.

Der Begriff der Werbemaßnahme in § 27a Abs. 1 PartG i. V. m. §§ 27 Abs. 1a S. 2, 26 Abs. 1 S. 2 PartG ist also sehr weit. Hauptsächlich wollte der Gesetzgeber damit „Parallelaktionen“ (S. 26f.) zurechenbar machen, also Unterstützungshandlungen anonymer Dritter, die inhaltlich eindeutig Parteispenden waren; etwa die Bereitstellung von parteiähnlichen Wahlkampfmaterialen (z. B. Plakate, Flyer). Daneben erfasst sie aber auch klassischen Meinungsjournalismus, Unterstützung durch Influencer in sozialen Medien oder sogar die Veranstaltung von Demonstrationen zu parteipolitisch besetzten Themen.

Steht die wirtschaftlich relevante Werbung im Vordergrund? Der Abwägungsmaßstab in § 27 Abs. 1a S. 5 PartG

Eine echte Form erhält der Begriff der „Werbemaßnahme“ erst durch den Abwägungsmaßstab im neuen § 27 Abs. 1a S. 5 PartG. Dieser enthält – indiziert durch den Rechtsterminus „gilt“ – eine Fiktion, die Unterstützungshandlungen als Parteispende ausschließt, bei denen die wirtschaftliche Komponente nicht überwiegt:

„Als Werbemaßnahmen gelten nicht Meinungsäußerungen oder Bekundungen zu einer Partei, deren Positionen zu einer Sachfrage oder deren Kandidaten, soweit sie sich im Rahmen der allgemeinen politischen Willensbildung halten und nicht die wirtschaftlich relevante Werbung für eine Partei im Vordergrund steht.“

Als Leitgedanke in der Abwägung zwischen Meinungs- und Wirtschaftskomponente dient die Intention des Gesetzgebers, Parallelaktionen dem Parteiengesetz zu unterwerfen. Dabei muss die gesetzliche Ausnahme die weite Definition der Werbemaßnahme einhegen, da die Spendenvorschriften des Parteiengesetzes eine Schranke der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG darstellen. Politische Spenden sind Teil des Rechts auf politische Mitwirkung, das sich unter anderem aus der Meinungsfreiheit und – bei Deutschen – aus der individuellen Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ableitet. Dies wird durch die Finanzierungsfreiheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG unterstützt, wonach sich Parteien ihre Finanzierungsmethoden frei aussuchen können. Dagegen steht das Transparenzgebot aus Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG, das dem Wähler wirtschaftliche Verflechtungen der Partei offenlegen und so eine freie und informierte Wahlentscheidung ermöglichen soll.

Das Kriterium „im Rahmen der allgemeinen politischen Willensbildung“ schließt rechtswidrige Handlungen von der Abwägung aus. Der durch die Meinungsfreiheit geschützte Diskurs im Herzen der politischen Willensbildung ist inhaltlich offen und nicht auf bestimmte Gegenstände oder Medien beschränkbar, was sich auch in der Einordnung der Meinungsfreiheit als „schlechthin konstituierend“ (BVerfGE 7, 198, 208) für die Demokratie ausdrückt. Grundlage des offenen demokratischen Willensbildungsprozesses ist aber das geltende Recht. Diesem Gedanken folgt auch das Parteienrecht als Wettbewerbsrecht: Wer rechtswidrig handelt, verzerrt den politischen Wettbewerb mit unlauteren Mitteln und darf nicht von der Ausnahme profitieren. Rechtswidrige Werbemaßnahmen sind daher immer Parteispenden, die unverzüglich gemäß § 27a Abs. 2 S. 1 PartG zurückgewiesen werden müssen.

Würde eine verdeckte Algorithmus-Verstärkung zugunsten von Musks Posts nachgewiesen werden, wäre sie eine Parteispende. Sie befände sich außerhalb der allgemeinen politischen Willensbildung, weil sie der EU-Kommission zufolge (hier, hier) gegen geltendes EU-Recht, konkret den Digital Services Act und die Verordnung zur Transparenz und Targeting politischer Werbung verstoßen würde. X habe als sehr große Onlineplattform die Pflicht, eine Algorithmus-Verstärkung offenzulegen, weil die Nutzer sonst nicht erkennen, dass sie mit Werbung konfrontiert werden – die Auswirkungen sind aus dem Cambridge-Analytica-Skandal bekannt. Diese Vorwürfe haben sich ziemlich erhärtet, allerdings gilt auch im Parteiensanktionsrecht die Unschuldsvermutung: Solange der AfD keine Kenntnis nachgewiesen werden kann, konnte sie die Algorithmus-Verstärkung nicht zurückweisen und müsste sie nach § 27a Abs. 3 S. 2 PartG dem Bundestagspräsidenten anzeigen und im Rechenschaftsbericht veröffentlichen.

Sonderregeln für Influencer?

Bei journalistischen Beiträgen in etablierten Medien überwiegt grundsätzlich die Meinungskomponente, da sie durch die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG besonders geschützt sind: Presse und Rundfunk sind in der politischen Willensbildung und als „vierte Gewalt“ zur Kontrolle des Staates unabdingbar. Dieser Schutz gilt auch für Influencer-Artikel, selbst wenn sie wie bei Musk der Person und nicht der Zeitschrift zugerechnet werden. Anders liegt der Fall nur, wenn das Gesamtprogramm des Mediums kein Konglomerat vielfältiger Meinungsaspekte ist, sondern den Charakter einer zusammenhängenden Anzeige hat – wie der Deutschlandkurier, den die AfD zwar nicht herausgibt, aber 2018 im Wahlkampf verteilt hat. Solche Unterstützungshandlungen sind so nah an klassischer Parteienwerbung, dass die wirtschaftliche Komponente überwiegt und eine Parteispende vorliegt. Dasselbe gilt für werbende Beiträge außereuropäischer Medienhäuser, da auf ihrer Seite wegen Art. 19 Abs. 3 GG keine Grundrechte in die Abwägung einfließen.

Auch Beiträge in sozialen Netzwerken sind grundsätzlich durch die Meinungsfreiheit geschützt. Das soziale Netzwerk ist das Forum des digitalen Raumes – basierend auf individuellen Präferenzen und sozialem Umfeld werden Nutzern neue, fremde Inhalte vorgeschlagen. Insoweit ist ein Beitrag mit einer Parallelaktion wie einem Flugblatt oder Wahlplakat vergleichbar, das auf der Straße zufällig ins Auge fällt. Mehr Social-Media-Reichweite entspricht deshalb prima facie mehr Plakaten. Während diese Parallelaktionen aber den Autor bewusst zugunsten der Parteiwerbung zurückstellen, werden Social-Media-Beiträge üblicherweise sichtbar unter dem Namen des Autors angezeigt. Daher wiegt bei Social-Media-Beiträgen die Meinungskomponente deutlich schwerer als bei Parallelaktionen.

Andererseits lässt sich das Gewicht der wirtschaftlichen Komponente im digitalen Raum nicht nach dem Wert der Lizenzanalogie – also der Reichweite – bemessen. Zwar hat die Unterstützungsleistung einen entsprechenden Wert, es widerspricht aber der Logik der ersparten Aufwendungen, diesen der Partei zuzurechnen: Typischerweise wird der Partei das zugerechnet, was der Dritte für seine Werbemaßnahmen ausgegeben hat. Damit besteht ein Gleichgewicht zwischen tatsächlichen Aufwendungen des Dritten und ersparten Aufwendungen der Partei – je größer die Unterstützung sein soll, desto mehr kostet sie auch. Bei Social-Media-Beiträgen bleiben die Kosten hingegen immer gleich: Der aus Überzeugung geschriebene Social-Media-Beitrag kostet nichts, unabhängig von der Reichweite – obwohl Musks Beiträge mit bisher knapp 100 Millionen Ansichten wohl einen siebenstelligen Gegenwert hätten. Von diesen kaum bezahlbaren Beiträgen verfasst er ohne jede wirtschaftliche Aufwendung durchschnittlich 68 pro Tag.

In der Abwägung tritt das Meinungselement letztlich stärker hervor: Aus politischer Überzeugung geschriebene Social-Media-Beiträge als Parteispende einzustufen, hätte zuerst die kuriose Folge, dass jeder dieser kostenlosen Beiträge den Parteien durch die staatliche Teilfinanzierung nach § 18 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 PartG echtes Geld einbrächte, 0.45 Euro für jeden Euro Zuwendung und bis zu 3.300 Euro pro Privatperson. Vor allem würde diese Einstufung aber einen echten „chilling effect“ (S. 4 f.) erzeugen und den politischen Meinungskampf im Internet ersticken. Personen des öffentlichen Lebens wären effektiv von der politischen Willensbildung im Internet ausgeschlossen, da bei politischen Äußerungen stets das Damoklesschwert der Sanktionen nach § 31e PartG (bis zu 100.000 Euro) über ihnen schwebte. Sie müssten also jeden Post gemäß § 27a PartG der Partei im Vorhinein anzeigen, den die dann auf einen Verstoß gegen die Spendenannahmeverbote überprüfen und ihn anschließend selbst als Spende in ihrem Rechenschaftsbericht aufführen müsste. Die Sanktionen für eine fehlerhafte Genehmigung könnten gerade bei neuen Parteien sogar zur Zahlungsunfähigkeit führen. Dieses Prozedere wird der Natur der politischen Debatte nicht gerecht, die auch im Internet auf organischen, spontanen Konversationen basiert, in denen Personen des öffentlichen Lebens eine wichtige Rolle spielen können. § 25 Abs. 2 Nr. 3 PartG schlösse zudem ausländische Personen vollständig von dieser Meinungsbildung aus, da Spenden aus dem Ausland verboten sind. Ein solches Totalverbot ist nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar, die als Jedermann-Grundrecht auch Ausländer schützt. Ob es zudem in einem Land mit schwindender Wahlbeteiligung rechtspolitisch förderlich wäre, den meinungsbildenden Dialog so zu kupieren, sei dahingestellt – in der Abwägung de lege lata überwiegt jedenfalls die Meinungskomponente. Social-Media-Beiträge aus politischer Überzeugung sind daher weder von Privatpersonen noch von Influencern eine Parteispende.

Fazit: Mehr gesellschaftliche, aber nicht rechtliche Verantwortung

Mit mehr digitaler Reichweite geht also mehr gesellschaftliche, aber nicht rechtliche Verantwortung einher. Die neuen Regelungen des Parteiengesetzes erfassen Parallelaktionen, aber schränken die Betätigung Privater im politischen Meinungswettbewerb weder in traditionell-journalistischen noch in sozialen Medien ein. Auch wenn ihre Unterstützungshandlungen werbende Elemente enthalten können, überwiegt in der vom Parteiengesetz vorgegebenen Abwägung zwischen Meinungs- und Wirtschaftskomponente stets die Meinungskomponente. Daher ist ein Social-Media-Beitrag unabhängig von der Reichweite keine Parteispende – letztlich ändert die Größe des Megafons nichts am Inhalt des Beitrags. Musks Unterstützungshandlungen mögen gesellschaftlichen Unmut hervorrufen, solange sie (konkret die Algorithmus-Verstärkung) aber nicht nachweisbar gegen geltendes Recht verstoßen, sind sie keine Parteispende.

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