Zur Aussetzung des Foreign Corrupt Practices Act durch die Trump-Administration
In der Kaskade aufsehenerregender Dekrete von US-Präsident Donald Trump sticht der letzte Woche verkündete Schritt, die Anwendung des Gesetzes gegen Auslandsbestechung für sechs Monate auszusetzen, auf den ersten Blick nicht heraus. Näher besehen könnte diese Executive Order aber die globale Antikorruptionspolitik unterminieren und die wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen Europas nachhaltig schädigen. Zur Debatte steht mit dem Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) nämlich jenes Gesetz, mit dem die transnationale und globale Korruptionsbekämpfung im Jahr 1977 ihren Lauf nahm. Eine Vielzahl wichtiger internationaler Übereinkommen baut hierauf auf. Diese haben inzwischen einen weltumspannenden normativen Standard geschaffen, der nicht nur für Staaten, ihre Bürger und Unternehmen verbindlich ist, sondern der auch die Projektfinanzierung durch Entwicklungsbanken wie die Weltbank prägt. Es ist also ein kleiner, aber wesentlicher Dominostein, den die neue amerikanische Regierung ins Wanken bringt.
FCPA als Zeichen einer moralischen Wende nach Watergate
Bis weit in die 1970er Jahre betrachtete man Korruption in erster Linie als nationales Phänomen und Problem.1) Vorteilsannahme und Bestechung im Inland wurde als Gefährdung nationaler Ordnungssysteme erachtet und bestraft. Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr galt hingegen entweder als lässliche Sünde oder gar als notwendiges Schmiermittel bei der Akquise und Abwicklung von Aufträgen in Entwicklungsländern; nicht selten wurde es sogar als Bindemittel zwischenstaatlicher Beziehungen in der Welt des Kalten Krieges verwendet,2) durchaus auch von den Vereinigten Staaten und ihren Partnern.3) Nachdem im Zuge der Watergate-Ermittlungen das Vertrauen vieler US-Bürger und ausländischer Partnerländer in die Integrität der USA ohnehin schon gelitten hatte, legten weitere Untersuchungen offen, in welchem Ausmaß US-Unternehmen ausländische Amtsträger, hohe Regierungsbeamte und sogar ein Mitglied des Königshauses der Niederlande bestochen hatten. Der damalige Präsident Jimmy Carter (1924-2024) sah sich veranlasst, mit dem FCPA seine Entschlossenheit zu einer moralischen Wende in der Innen- und Außenpolitik zu dokumentieren. Einerseits sollte das beschädigte Vertrauen im Ausland wiederhergestellt, andererseits dem öffentlichen Vertrauensverlust in die Integrität amerikanischer Institutionen entgegengewirkt werden, wie das Presidential Signing Statement vom 20.12.1977 zeigt: „Corrupt practices between corporations and public officials overseas undermine the integrity and stability of governments and harm our relations with other countries. Recent revelations of widespread overseas bribery have eroded public confidence in our basic institutions.”
Rückkehr der Realpolitik
Diese Ambitionen ordnet die Trump-Administration nun realpolitischen Überlegungen unter. Unter der Überschrift „Pausing Foreign Corrupt Practices Act Enforcement to Further American Economic and National Security“ ist nämlich nicht mehr von Werten bzw. globalen Standards, sondern von nationalen Interessen die Rede. Amerikanische Unternehmen, liest man zwischen den Zeilen, sollten nicht länger für Praktiken bestraft werden, derer sich ihre ausländischen Konkurrenten bedienten, um sich Zugang zu Rohstoffquellen und zu Infrastrukturprojekten zu verschaffen. Deshalb hat Präsident Trump angeordnet, dass in den kommenden 180 Tagen weder Strafverfahren nach dem FCPA eingeleitet noch neue Strafverfolgungsmaßnahmen ergriffen werden dürfen, falls die Justizministerin keine „individual exception“ erteilt (Sect. 2 [a] i). Diese Frist kann Ministerin Pam Bondi nach Sect. 2 (b) um weitere 180 Tage verlängern, sollte sie dies für notwendig erachten. In dieser Zeit wird sie Richtlinien erarbeiten, die dafür sorgen sollen, dass bei der Anwendung des FCPA die außenpolitischen Ziele des Präsidenten angemessen berücksichtigt und amerikanische Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen priorisiert werden. Laufende Verfahren sollen unter diesem Gesichtspunkt „im Detail“ überprüft werden.
Uneven playing field?
Die Trump-Administration begründet ihren drastischen Schritt mit alten Argumenten. Schon bei Inkrafttreten des FCPA beklagte die amerikanische Wirtschaft, dass das Gesetz für ungleiche rechtliche Wettbewerbsbedingungen sorge. Um die Spielregeln auf den Weltmärkten einigermaßen anzugleichen, drängten die USA auf die Verabschiedung von internationalen Übereinkommen, zunächst die Interamerikanische Konvention gegen Korruption von 1996, ein Jahr später das OECD-Übereinkommen gegen Bestechung im internationalen geschäftlichen Verkehr. Es folgten das Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates im Jahr 1999 sowie die UN-Konvention gegen Korruption im Jahr 2003. Letztere verpflichtet alle 140 Vertragsstaaten zur Schaffung von Strafvorschriften gegen die aktive Bestechung ausländischer Amtsträger, wenn diese Pflichten verletzen, um dem Vorteilsgeber oder einem Dritten einen unzulässigen Vorteil im Zusammenhang mit dem internationalen Geschäftsverkehr zu verschaffen.4)
Die überwältigende Mehrheit großer Industrienationen ist folglich der US-Initiative gegen Auslandsbestechung beigetreten. Besonderen Ausdruck findet diese Verständigung auf einen regelbasierten internationalen Handel in der Tatsache, dass eine Mitgliedschaft in der OECD den Beitritt zum OECD-Übereinkommen gegen Bestechung voraussetzt. Stimmt die Trumpsche Prämisse eines uneven playing field für US-Unternehmen dennoch?
Richtig ist, dass nicht alle die internationalen Anti-Korruptionsbemühungen unterstützen, insbesondere nicht die Volksrepublik China als größter Exporteur der Welt. Richtig ist auch, dass die USA die Nation waren, die das OECD-Übereinkommen von Anfang an mit Leben gefüllt haben, während auch große westliche Exportnationen ihre Strafnormen deutlich seltener aktivieren. Insoweit kann man die Frustration der USA über das fehlende Engagement wichtiger westlicher Partner ebenso verstehen wie die Besorgnis über den strategischen Einsatz von Korruption durch systemische Rivalen.
Indes wissen sich die USA mit Hilfe des FCPA gegen Wettbewerbsverzerrungen zu wehren. Denn die Ermittlungen von US-Behörden richten sich nicht nur gegen amerikanische Unternehmen, sondern auch gegen ausländische. Die zehn höchsten FCPA-Sanktionen betrafen fast ausschließlich Unternehmen, die mehrheitlich ausländische Eigentümer haben. Ohnehin lässt sich nicht ohne Weiteres von einer strengen Durchsetzung von Korruptionsverboten auf Wettbewerbsnachteile schließen. So konnten die USA ebenso wie Deutschland ihre starke Stellung auch auf korruptionsaffinen Märkten wie den für Rüstungsgüter, im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Luftfahrindustrie halten. Ob dies beim Zugang zu Rohstoffen und bei großen Infrastrukturprojekten anders ist, wäre im Einzelnen zu prüfen, rechtfertigt aber nicht, den Kampf gegen Korruption im internationalen Handel generell in Frage zu stellen. Dies wäre auch für die Unternehmen nicht gut: Sie belasten Schmiergeldzahlungen im Ausland ganz unmittelbar durch erhöhte Transaktionskosten; zudem sehen sie sich nicht selten dem erpresserischen Ansinnen ausgesetzt, sog. Facilitation Payments bei der Vertragsabwicklung zu zahlen. Dagegen hilft letztlich nur ein internationaler common sense, demzufolge solche Beschleunigungszahlungen generell nicht geleistet werden.
Viele Staaten haben in den letzten drei Jahrzehnten auch intensiv daran gearbeitet, einen solchen common sense zu etablieren. Falsch wäre es daher zu glauben, die Durchsetzung des Verbots der Auslandsbestechung hänge vor allem an den USA, haben sich doch zumindest alle Mitgliedstaaten des OECD-Übereinkommens einem rigorosen Evaluierungsmechanismus unterworfen. Zudem tauschen sie sich mehrfach im Jahr über Best Practices aus, informieren einander über aktuelle Fälle der Auslandsbestechung, engagieren sich bei der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen und beantworten Rechtshilfeersuchen. Diese Bemühungen lassen sich zwar statistisch schlecht erfassen, dokumentieren aber ein international koordiniertes Vorgehen gegen Auslandsbestechung.
Strategische Ausrichtung der US-Antikorruptionspolitik
Ob und inwieweit die USA ihre internationalen Bemühungen aufgeben, steht zwar noch nicht endgültig fest. Nicht auszuschließen ist, dass die USA lediglich ihre Verfolgungspraxis neu kalibrieren und stärker auf Länder ausrichten, die keine ausreichenden Bemühungen bei der Verfolgung von Auslandskorruption erkennen lassen oder als systemische Wettbewerber um Zugang zu besonders sensiblen Märkten mit den USA konkurrieren. Schon die letzte Trump-Administration verfolgte eine sog. „China Initiative“, der zufolge Strafverfolger FCPA-Verfahren mit Verbindung zu China priorisieren sollten. Diese Vorgabe wurde unter Präsident Biden zwar wieder aufgegeben, weil das DOJ nicht als voreingenommen wahrgenommen werden sollte. Nun könnte die Trump-Administration ihren früheren Ansatz wiederaufgreifen, die Antikorruptionspolitik als Mittel der Außenwirtschaftspolitik einzusetzen oder sogar geostrategisch gegen Länder wie China auszurichten. Aufhorchen lässt jedenfalls, dass die Executive Order betont, dass „US-amerikanische Unternehmen“ nicht mehr verfolgt werden sollen. Es drängt sich daher die Frage auf, ob nach Ablauf der 180- bzw. 360-Tage-Frist die Verfolgung ausländischer Unternehmen ermöglicht wird, während sie für US-Unternehmen eingeschränkt oder sogar ausgesetzt bleibt. Vorerst stellen die USA aber ihren Kampf gegen die Auslandsbestechung mit dem Mittel des FCPA ein.
Konsequenzen
Zweifellos erschüttert dieser Schritt die internationale Anti-Korruptionspolitik. Rechtlich betrachtet, verletzen die USA damit ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Verfolgung von Auslandsbestechungsfällen (s. etwa Art. 30 Abs. 3 UNCAC). Politisch gesehen, werden sie als Vorreiter und treibende Kraft in der nächsten Zeit schmerzlich fehlen. Dies auch deshalb, weil die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen nicht rechtlich durchgesetzt werden kann, sondern vor allem von politischen Impulsen vorangetrieben wird. Zwar verfügt die OECD Working Group on Bribery über das Instrument der Due Diligence-Warning, dennoch ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in internationalen Organisationen eine positive Gruppendynamik zentral. Gerade wegen des bisher so herausragenden Engagements der USA ist die plötzliche Einstellung der Verfolgungstätigkeit und die damit verbundene Signalwirkung ein herber Schlag für die internationale Zusammenarbeit. Dabei hat die Carnegie Endowment for International Peace deutlich aufgezeigt, wie wichtig es für die Sicherheit der USA ist, autokratischen Staaten entgegenzutreten, die Korruption als „geopolitische Waffe“ einsetzen und die internationale Anti-Korruptionspolitik zu schwächen versuchen.
Deutsche und europäische Strategien
Wie sollten die Bundesrepublik und die Europäische Union auf die Aussetzung des FCPA reagieren? Nicht sinnvoll wäre es, nun auch die deutschen und europäischen Bemühungen um die globale Korruptionsbekämpfung zurückzufahren. Ein solches „Race to the bottom“ können wir nicht gewinnen – und es wäre zugleich eine Selbstaufgabe des Projekts der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, dem sich die EU verschrieben hat. Amtsträger zu bestechen heißt, staatliche Entscheidungsgewalt zu kaufen. Das ist als solches ein Angriff auf die Stärke des Rechts und die Unparteilichkeit von Ordnungsverfahren.5) Das Verbot der Auslandsbestechung nicht mehr durchzusetzen, bedeutet also gerade keine Rückbesinnung auf nationale Interessen, wie die Trump Administration vorgibt, sondern stellt das „governance by law“ als Ordnungssystem insgesamt in Frage. Dies kann nicht im Interesse einer Regierung liegen, die regelbasierte Ordnungssysteme insgesamt, also im In- und Ausland für schützenswert erachtet. Anders als der 45. und 47. Präsident der Vereinigten Staaten hatte der 39. Präsident, Jimmy Carter, erkannt, dass die Toleranz von Korruption im Ausland auch die Stabilität inländischer Institutionen in Frage stellt.
Deutschland und Europa sollte dem Weg der US-Regierung also nicht folgen – es widerspricht unseren Werten und unseren Interessen. Stattdessen bietet das Vorgehen der Trump-Administration die Chance, Deutschland und die EU als Handelspartner zu positionieren, die nicht mit Bestechungsgeldern, sondern den Vorzügen ihrer Produkte und Märkte werben und die nach jenen Regeln spielen, deren Beachtung im Interesse aller liegt. Sollten US-Behörden international verpflichtende Korruptionsverbote überhaupt nicht mehr oder nicht mehr gegenüber US-Unternehmen durchsetzen, können andere, etwa deutsche und europäische Strafverfolgungsbehörden, hier eine Führungsrolle einehmen, um ein level playing field und die Geltung internationalen Rechts zu sichern. Langfristig ließe sich darüber nachdenken, zu diesem Zweck auch die Kompetenzen der Europäischen Staatsanwaltschaft zu erweitern.
Der Text gibt ausschließlich die private Meinung der Autoren wieder, nicht die ihrer Anstellungsinstitutionen oder einer internationalen Organisation.