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Im aktuellen Bundestagswahlkampf regnet es private Großspenden. Während insbesondere CDU, FDP und AfD auf Spendenrekorde zusteuern, steht die AfD nun wegen einer fast 2,35 Millionen Euro schweren Spende aus Österreich im Zentrum eines neuen Skandals. Besonders alarmierend ist jedoch der allgemeine Transparenzverlust in der Parteienfinanzierung, der bereits zu einem Abrutschen Deutschlands im Korruptionsindex von Transparency International geführt hat. Ein Blick über den Atlantik beweist, dass sich dieses Problem nicht von selbst lösen wird und ein rasches Einschreiten dringend geboten ist.

Neue Dimension des Problems?

In diesem Trend liegt auch das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (kurz BSW), das sich erst 2024 gründete und nach ersten Wahlerfolgen und aktuellen Umfragen Chancen auf den Sprung in den Deutschen Bundestag hat. Ein entscheidender Faktor dafür war, dass die Partei im Jahr 2024 weit mehr Spenden i.S.d. § 27 Ia PartG erhielt als alle anderen Parteien zusammen, bis die Ampelkoalition zerbrach. Die genaue Herkunft eines Großteils dieser Spenden an das BSW bleibt aber unbekannt, da sie durch einen für diesen Zweck gegründeten Verein mit dem Namen „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e.V.“ geschleust wurden. Auf dem Papier tritt der Verein gemäß der Transparenzklausel in § 25 III PartG an die Stelle der gelisteten Spender, sodass deren Identitäten der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Im Hinblick auf Spenden, die im Vorlauf zur rechtskräftigen Parteigründung über den Verein gesammelt wurden, hat das BSW bestätigt, dass sie teilweise aus ausländischen Quellen stammen, ohne dabei jedoch die Spenderidentitäten offenzulegen.

Allerdings ist das BSW weder die erste noch die einzige Partei, die auf ein solches undurchsichtiges Konstrukt zurückgreift. CDU und AfD waren in jüngerer Vergangenheit in Skandale verwickelt, bei denen Briefkastenfirmen und private Vereine zur Generierung von Schwarzgeld-Wahlkampfspenden und „unabhängigen“ Unterstützungskampagnen eingesetzt wurden. Als Parallelen zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch das Vereinsmodell der neu gegründeten Partei „Werteunion“, die historische „Flick-Affäre“ sowie die zurückliegenden CDU-Skandale bzgl. des Strohmannvereins „Staatsbürgerliche Vereinigung“ mit dessen zahlreichen Nachahmungen und, nicht zuletzt, die „Parteispendenaffäre“. Verschärft wird die Parteienfinanzierung in Deutschland schließlich durch die Nebeneinkünfte der Abgeordneten, die Problematik des Parteiensponsorings und die weitgehend fehlenden Schutzmechanismen auf Länderebene.

Spätestens die Einflussnahme von Elon Musk als reichstem Mann der Welt zugunsten der AfD im laufenden Bundestagswahlkampf zeigt, dass die Problematik zukünftig ungekannte Dimensionen annehmen könnte. Bis dato ist Musks Unterstützung (soweit öffentlich bekannt) keine Parteispenden: befürwortende Äußerungen in Online-Kommentaren, per Livestream auf dem AfD-Parteitag und in einem Gastbeitrag, Diffamierung der politischen Gegner, ein werbendes Online-Gespräch sowie die persönliche Livestream-Übertragung des AfD-Parteitages auf der Plattform X. Grundsätzlich würde eine direkte finanzielle Unterstützung (von mehr als 1.000 €) von Musk als Nicht-EU-Ausländer gegen § 25 II Nr. 3 PartG verstoßen. Das verschleiernde Vereinskonstrukt macht indes eine effektive Kontrolle der Einhaltung dieser Schutzbestimmung unmöglich. Dass eine finanzielle Intervention nicht unrealistisch ist, zeigt die jüngste Einmischung Musks in die britische Politik, bei der eine Rekordspende für die „Reform UK“-Partei im Raum steht. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass sich die AfD neuerdings offen dafür einsetzt, Multi-Milliardäre wie Elon Musk, Peter Thiel und Theo Müller aktiv einzubinden, und innerhalb kürzester Zeit im Bundestagswahlkampf mehrere verdächtige Großspenden erhalten hat, deren fragwürdige Herkunft bereits teilweise staatsanwaltschaftlich untersucht wird.

Enthemmte Parteienfinanzierung in den USA

Derartige Befürchtungen sind in den USA bereits Realität. In dem Rechtsstreit „Citizens United v. Federal Election Commission“ entschied der Supreme Court, dass politische Ausgaben von Unternehmen als freie Meinungsäußerung durch den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung geschützt sind. Obwohl das Urteil betonte, wie notwendig es ist, Spenderidentitäten zur Korruptionsverhinderung offenzulegen, erleichterte es die Entscheidung in der Praxis erheblich, Spendengelder in der amerikanischen Politik zu verschleiern. Der am häufigsten genutzte Mechanismus, Spenderidentitäten zu verbergen, ist die Gründung einer politischen Non-Profit-Organisation, die als steuerbefreite Gruppe nach Abschnitt 501(c) des Internal Revenue Code ihre Spender geheim halten darf und an ein Super-PAC (political action committee) spendet. Im Gegensatz zu traditionellen, von Parteien betriebenen PACs betreiben Super-PACs unabhängig von der Wahlkampforganisation Werbung für einen Kandidaten. Da Super-PACs dabei keiner Finanzierungsobergrenze unterliegen, ist die mögliche Höhe der anonymen Spenden praktisch unbegrenzt.

Dies hat die Rolle privater Spenden in der US-Politik dramatisch gestärkt, weshalb sowohl einige gewählte Abgeordnete als auch Kommentatoren den Übergang der USA in eine Oligarchie im Vollzug sehen. Beispielsweise hat im Kongresswahlzyklus 2024 in mehr als 90% der Fälle der finanzstärkere Kandidat die Wahl gewonnen. Die Spenden stammten dabei zunehmend von einer Kleinstgruppe extrem reicher Privatspender. Im Ergebnis führt das in einen anhaltenden, sich selbst verstärkenden Kreislauf: Reichtum erzeugt politische Macht, die wiederum das Privatvermögen noch stärker im reichsten Teil der Bevölkerung konzentriert, und neuen Machtzuwachs hervorbringt.

Nachdem wohlhabende Spender durch enormen Einfluss auf die Medien, den jüngsten umfassenden Sieg der Republikaner bei den Wahlen im Jahr 2024 und eine ihnen wohlgesonnene Sechs-zu-drei-Mehrheit am Obersten Gerichtshof in Verbindung mit einer überproportionalen Kontrolle über andere Bundesgerichte das US-System immer mehr nach ihren Vorstellungen geformt haben, sind direkte Maßnahmen zur Situationsverbesserung in absehbarer Zukunft quasi aussichtslos. Selbst weniger ehrgeizige Vorschläge wie ein öffentliches Finanzierungssystem für Kleinspender sind hochgradig unwahrscheinlich.

Kehrtwende in Deutschland?

In Anbetracht der ausgleichenden Bedeutung der staatlichen Parteienfinanzierung in Deutschland ist die Situation weniger dramatisch als in den USA – dennoch bewegt sich der Trend in die falsche Richtung. Der Blick über den Atlantik zeigt insbesondere, dass diese Entwicklungen ernst genommen werden müssen, solange es noch möglich ist, gegenzusteuern. Oft wird argumentiert, dass eine Gesetzesänderung erforderlich sei, um den Geldfluss über Strohmannvereinigungen zu unterbinden. Allerdings bieten auch existierende Rechtsinstrumente Ansätze, um verschleierte Wahlkampfspenden zu verhindern.

Eine Möglichkeit, solche Wahlkampfspenden zu unterbinden, besteht in ihrer Subsumtion unter § 25 II Nr. 6 Alt. 1 PartG, wonach Parteien Spenden nicht annehmen dürfen, deren Herkunft nicht feststellbar ist. Da die Rechtsprechung diesbezüglich aber auf die Kenntnis der Partei abstellt und deren Kenntnis durch einzelne Funktionsträger ausgeübt wird, genügt es zur Umgehung dieser Regelung bereits, wenn ein einzelner zuständiger Parteifunktionär die tatsächliche Quelle des Geldes kennt – ohne dass damit dem demokratischen Transparenzinteresse der Öffentlichkeit Genüge getan ist.

Mit Blick auf die Funktion der Strohmannvereinigungen erscheint es angebracht, die von ihnen erbrachten Spenden als erkennbar nur weitergeleitete Spende zu behandeln, deren Annahme nach § 25 II Nr. 6 Alt. 2 PartG untersagt wäre. Die Vereine argumentieren nicht überzeugend, dass sie die Spenden nicht lediglich weiterleiten, sondern eine umfassendere konzeptionelle Arbeit umsetzen, die unabhängig von den zugehörigen Parteien zur politischen Willensbildung beiträgt. Dem verfassungsrechtlichen Transparenzgebot könnte dennoch selbst beim Anwenden dieser Argumentation entsprochen werden, indem man den Begriff „Person“ nach § 25 III 1 PartG teleologisch reduziert. Grundsätzlich umfasst dieser Begriff alle juristischen und natürlichen Personen. Aus mehreren Gründen erscheint es jedoch sinnvoll, juristische und natürliche Personen, die im Hauptzweck keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen und deren politische Handlungen ausschließlich der Förderung einer speziellen Partei dienen, aus diesem Anwendungsbereich auszuschließen – wie dies bei den fraglichen Strohmannvereinen der Fall ist. Mit einer solchen Reduktion wäre den Parteien zwar nicht, wie § 25 II PartG dies anordnet, bereits die Annahme der Vereinsspenden untersagt; sie müssten aber in ihrem Rechenschaftsbericht für die Öffentlichkeit erkennbar die Identität der tatsächlichen Geldgeber, die an den Verein gespendet haben, offenlegen. Im Falle der Zuwiderhandlung würden die Sanktionsmechanismen aus § 31 c PartG greifen.

Diese Auslegung würde dem Zweck der Vorschrift entsprechen: § 25 PartG dient dem Schutz der „Integrität des politischen Wettbewerbs und soll damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Parteien als wichtige Akteure der demokratischen Willensbildung stärken“. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn die Identität des tatsächlichen Geldgebers bekannt ist. Die bloße Nennung des Vereins ist unter Transparenzgesichtspunkten ebenso wenig aussagekräftig, als würde die Partei nur den Namen der Bank nennen, bei der das Spenderkonto geführt wird. Darüber hinaus ist diese Auslegung unter systematischen Gesichtspunkten vorzugswürdig, um die Effizienz der Strafrechtspflege bzgl. der Wirtschaftsstraftaten gemäß §§ 331, 333, 258 StGB im Sinne der weiten Auslegung des BGH sicherzustellen. Schließlich spricht auch eine verfassungskonforme Auslegung mit Blick auf das Transparenzgebot in Art. 21 I 4 GG für eine teleologische Reduktion des Begriffs „Person“ in § 25 III 1 PartG, um das verfassungsrechtliche Ziel der Aufdeckung der Verflechtung von wirtschaftlichen und politischen Interessen einer Partei zu gewährleisten.

Für Integrität und Chancengleichheit

Um die Integrität des Wahlprozesses umfassend zu schützen, sollte darüber hinaus eine strenge Obergrenze für private Spenden an politische Parteien gesetzlich festgesetzt werden – wie bereits in 19 EU-Mitgliedstaaten. Angesichts der unzureichenden Unabhängigkeit der Bundestagspräsidentin vom politischen Betrieb ist die aktuelle organisatorische Ermittlungssituation hinsichtlich Parteispenden inakzeptabel. Statt einer parlamentarischen Selbstkontrolle sollte der Bundestag die Verfolgung von Verstößen gegen die Transparenzvorschriften des PartG einer unabhängigen, ausreichend ausgestatteten Ermittlungsbehörde übertragen.

Zudem sollte das BVerfG erwägen, ob eine absolute und relative Deckelung der staatlichen Parteienfinanzierung ohne höhenmäßige Grenze für Privatspenden die „Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft“ noch zeitgemäß sichern kann. Die diesbezüglich vor über 30 Jahren entwickelte höchstrichterliche Rechtsprechung scheint aktuell angesichts stetig sinkender Parteimitgliederzahlen und wachsender Vermögensungleichheit vielmehr eine Verwurzelung in Wirtschaft und finanzstarker Oberschicht zu manifestieren. Mit Blick auf die ungleiche Verteilung privater Spenden zwischen Parteien, die nicht zuletzt auf die unterschiedliche Kaufkraft verschiedener Wählergruppen zurückzuführen ist, könnte stattdessen eine verfassungsrechtliche Obergrenze für private finanzielle Parteieinnahmen aus dem Recht der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb nach Art. 21 I GG i.V.m. Art. 3 I GG die bisherige Rechtsprechung erweitern. Die aktuellen Fälle bedenklicher Intransparenz verdeutlichen freilich, dass hierfür größtmöglicher Druck der Öffentlichkeit erforderlich sein wird.

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